Die bevorzugte Kunst ist der Spiegel der eigenen Sehnsüchte.
Am Ende sammelt man immer nur sich selbst. Sagte Baudrillard. Eher glaube ich aber: Am Ende sammelt man immer nur, was man nicht ist. Aber gerne wäre. Die bevorzugte Kunst ist der Spiegel der eigenen Sehnsüchte. Werfe ich zuerst einmal selbst einen Blick in dieses Narzissengewässer, dann wäre ich insgeheim wohl gerne ein wenig mehr Vamp, trauere ich einer lasziv-verdorbenen Mädchenhaftigkeit nach und einem provokanten, rücksichtslosen jugendlichen Aufbegehren. Revolution. Etwas, was ich mir nie erlaubt habe. Nicht umsonst sind meine beiden Lieblingskünstler zurzeit Zenita Komad und Christian Eisenberger, die junge Verführerin und der unberechenbare Clown, der schon einmal mitten auf der Kunstmesse die Hosen runterlässt und einen Sprengstoffgürtel trägt.
Gut. Genug der peinlichen Selbstentblößungen. Wer also ist Herbert
Liaunig, der heute in Neuhaus sein Privatmuseum eröffnet? Und wer ist
Giuseppe Morra, der Sammler, der Hermann Nitsch zum heutigen 70.
Geburtstag in Neapel ein Museum schenkt? Beide kenne ich nicht
persönlich. Also übe ich mich lieber in unverfänglicherer
Sammlergruppen-Analyse. Liaunig und früher auch Karlheinz Essl sammeln
vor allem Österreicher. Beide sind erfolgreiche Geschäftsleute,
Topmanager. Sie haben im Grunde wenig Zeit für die Kunst, sehen in ihr
den Ausgleich zum strukturierten Alltagsstress. Die Kunstwerke in den
üppigen Privatsammlungen stehen für das Chaos, das sie sonst nicht
verursachen dürfen. Die Künstler üben sich für sie in der
Entschleunigung, die sie sich sonst nicht leisten können. Kein Wunder,
dass hier vor allem Malerei und Skulptur gesammelt werden, nicht die
schnellen Medien, Foto, Video, Performance. Natürlich hat das auch
etwas mit Repräsentation zu tun. Aber eben nur auch.
Und jetzt
nach Neapel. Oder Mistelbach. Oder gleich nach ganz oben, Prinzendorf.
Hermann Nitsch. Er ist der leibhaftige Gott seiner Kunstreligion. Ein
gemütlicher Anarchist, der niemandem dient, außer dem eigenen, alles
umfassenden Gesamtwerk. Nitsch verspricht die theatralische Katharsis
unter väterlicher Aufsicht. Kein Wunder, dass es gerade Katholiken
sind, die sich hier oft angesprochen fühlen.
Wer Nitsch liebt, muss sich ihm und seinem Orgien-Mysterien-Theater bedingungslos unterordnen. Vielleicht wird hier die Sehnsucht des Sammlers spürbar, einmal die Verantwortung abzugeben, die Kontrolle zu verlieren und sich nur mit den Sinnen voranzutasten. Bei Nitsch kann man nicht, sondern muss man aufhören, für sich selbst zu kämpfen. Da bestimmt plötzlich ein anderer die Regeln, und die Karriereaussichten sind reichlich trist – der Chefsessel ist eindeutig schon vergeben. Und das hoffentlich noch für viele Jahre.