Kreative Selbstbefragung
Jüdisches Museum zeigt "Zenita Komad. Spirituality is not Shopping"
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
(Wiener Zeitung, 11. November 2011)
Das Jüdische Museum startet eine neue Ausstellungsserie: Initiiert von Direktorin Danielle Spera gibt es einmal im Jahr eine Auseinandersetzung der Gegenwartskunst mit dem Haus. "Jewish Museum Contemporary" beginnt mit Zenita Komads Blick auf die Frage von Spiritualität und deren Transformation im Judentum. Die Schülerin von Franz Graf, die seit 2002 in prominenten Wiener Galerien auch zuweilen als "one man show" präsentiert wurde, ist nach einem Staatsstipendium und dem Schindler Stipendium des MAK in Los Angeles für außergewöhnliche Rauminszenierungen bekannt.
Sie wählt verschiedene Medien für ein Orakelspiel mit dem provokanten Titel "Spirituality is not Shopping" aus. Das Spiel der Zahlen, Worte und Bilder beginnt bereits beim Kauf der Eintrittskarte für die Besucher. Sie müssen eine Karte ziehen, eine Frage stellen und damit in den nächsten Raum mit Zahlenkonstellationen am Boden und einem roten Buch in der Mitte eintreten. Die Position, die im Raum auf der gezogenen Zahl eingenommen wird, unser Standort im Raum beeinflusst unser Befinden. Es ist der Start einer Reise ins Selbst. Für die Frage an das Orakel findet sich unter der Nummer im roten Buch eine Antwort. Die Ziffer ist aber auch in einem weiteren Raum unter einer Serie von bezaubernden Collagen der Künstlerin zu suchen.
Gegensatz in Bild und Wort
Viele Blätter sind bereits an bekannte Wiener Sammler verkauft, der Rest wird wahrscheinlich Abnehmer finden, obwohl es keine Verkaufsausstellung ist.
Bild und Wort passen nicht immer zusammen, nur zuweilen stimmen sie überein. Gegensätze schließen sich nicht aus, sondern kommen im besten Fall zusammen wie Feinde, die voneinander lernen. Alte Stiche aus Stadtgeschichte, Naturwissenschaft, Anatomie und Musik sind verfremdet, beschriftet, einige wenige Schriftbilder leben ohne Bild durch Ziffern- und Buchstabenform. Die Position des Betrachters löst auch seine Widersprüche, Freude und vielleicht Überraschung aus und all dies zieht ihn in die Geschichte des Judentums vor Ort hinein.
In der jüdischen Spiritualität ist das Fragen, das Lernen, aber auch das traditionelle Geschichtenerzählen wesentlich. Zahlen haben Bedeutung, auch für die Geschichte des Misrachi-Hauses mit zwei Synagogen, der historischen, die unterirdisch ergraben sichtbar wurde, und der bis heute genützten im ersten Stock. So gelingt der Künstlerin spielerisch die Transformation in die Gegenwart. Verweise auf Zusammenhänge zwischen kulturell-objektiven und persönlich existenziellen Werten, aber auch auf Sonderwege in esoterische Heilsversprechungen - wie Sonderangebote in Zeiten des Kapitalismus - tauchen auf.
Die moralische Aussage, dass Seelenheil und Kreativität nicht käuflich zu erwerben sind, wird von der poetischen Stimmung der Werke Komads überspielt - im wahrsten Sinn des Wortes. Die Sätze des Orakels wurden mit Markus Mittringer und Rebekka Haag konzipiert, von Letzterer stammt auch ein Film, der 64 Porträtaufnahmen mit einem Endlosspruch kombiniert. Acht Frauen und acht Männer sprechen jeweils einen Satz aus der Literatur, die letzten und ersten Worte stimmen überein, das Spruchband ist fließend wie auch im Spiel eine endlose Möglichkeit an Kombinationen, selbst für mehrere Teilnehmer, mitkonzipiert ist. Dabei wurde Komad von Mittringer und dem Architekten Thomas Amann unterstützt, denn Mitpartizipieren ist ein Zauberwort der Gegenwartskunst.
Klingende innere Stimme
Auch Oberrabbiner Chaim Eisenberg hat sich am Arbeitsprozess beteiligt und Anfügungen beigegeben, ob dies singend vor sich ging, wird nicht verraten. Die Ausstellung ist aber ein Ort, an dem die innere Stimme zum Klingen gebracht wird - das gilt auch für die verbissenen Logiker unter der Sonne Wiens. Hier kann keiner sich dem Sprung von der Innen- in die Außenwelt entziehen. Für Komad eine gute Gelegenheit, ihre Vielstimmigkeit und Freude am Auffächern der Sinne spüren zu lassen. Jedenfalls ein geglückter Auftakt der neuen Gegenwartsschiene in diesem Museum.