Zeitgenössisches zum Zweiten: In der aktuellen Kinsky-Offerte treffen vielversprechende junge auf etablierte Positionen
Der Elefant steckt seinen Rüssel durch die Wand, als käme er aus einer anderen Welt. Ist es die Natur, die hier auf sich aufmerksam machen will? Oder gar eine märchenhafte Erscheinung? Verwunderlich wäre das nicht. Der Elefant (Schätzwert 4.000–6.000 Euro) ist ein Werk der Klagenfurter Künstlerin Zenita Komad, die in ihrer Arbeit nach Spiritualität und den Grenzen des Rationalen fragt. Die 1980 geborene Komad steht repräsentativ für die junge Künstlergeneration, die neben etablierten Größen wie Günter Brus und Maria Lassnig in der 89. Kunstauktion (6. 3.) „im Kinsky“ angeboten werden. Die zweite im Hause übrigens, die nach der Spartenpremiere im Herbst 2011 rein auf zeitgenössische Kunst fokussiert.
Ein weiteres junges Hoffnungstalent ist der 1977 in Wien geborene Stylianos Schicho. Seine Arbeiten thematisieren die Geißeln des zeitgenössischen Menschen. Überwachung, Beobachtung, Verdacht sind seine Themen. Und: die zunehmende Entfremdung des modernen Menschen. Auch in Kampf mit sich selbst (2.500–4.000) fremdeln die beiden mit Freiluftsport beschäftigten jungen Männer seltsam. Es mag daran liegen, dass sie aus dem Bild herausblicken, auf einen Punkt in weiter Ferne.
Neben gesellschaftlichen Themen findet sich auch ein kunstgeschichtlicher Dauerbrenner: die Frau. In der aktuellen Kinsky-Offerte wartet sie in all ihrer Vielfalt: in kräftigen Tönen, mit locker und sicher wirkendem Pinselstrich etwa die Frauenfiguren auf Xenia Hausners Acrylbildern, Collagen und Grafiken. Die Frau mit dem Kinderwagen (Guter Hoffnung, 60.000–80.000) oder jene auf der Lithografie Verklärte Nacht (3.500–6.000), die in direktem Blickkontakt mit dem Betrachter ihre jeweilige Geschichte erzählen, die trotz ihrer Offenheit (oder vielleicht gerade deswegen?) dennoch ein Rätsel bleiben. Zur Pose gehört das Geheimnis bei Michel Fuchs' an Modefotografien erinnernden Ölgemälden elegant gekleideter Frauen: Dame in Beige (12.000–18.000) wie Dame in Türkis (15.000–20.000) sind in Rückenansichten zu sehen, ihr Kopf nur im Profil. Diese Damen verschwinden hinter ihrer Inszenierung, sie bestehen nur noch aus ihren sorgsam drapierten Toiletten und Körperhaltungen.
Entindividualisierte Staffage
Nur noch Staffage ist auch die junge Frau auf der Fotografie Where else I (6.000–10.000) des in Wien lebenden Künstlerduos Markus Muntean und Adi Rosenblum, die Teil der gleichnamigen Schau in der Wiener Secession im Jahr 2000 war. Die beiden Künstler thematisierten dort die zunehmende Entindividualisierung des Einzelnen in Zeiten des allgegenwärtigen Kommerz. Die Frau, die uns aus dieser Fotografie heraus anschaut, sitzt in einem Fastfood-Restaurant und führt gerade einen Hamburger zum Mund. Mehr erfahren wir nicht über sie.
Ein anderes und vor allem berühmteres Bild der Frau zeichnete Steve Mc Curry 1984 von der „afghanischen Mona Lisa“ Sharbat Gula: Den Kopf umhüllt von einem tiefroten Tuch, blickt das Afghan Girl (3.500–5.000) direkt in die Kamera. Aufgenommen in einem Flüchtlingscamp, erschien das Foto 1985 auf dem Cover von National Geographic und wurde zum Symbol für das Leid und die Würde der Opfer von Krieg und Vertreibung. Auch das ein zeitgenössisches Thema.
(Andrea Heinz / DER STANDARD, Printausgabe, 3./4.3.2012)