Von der Suche nach der Muse
Die Welt, 6. Mai 2010
Noch immer ist unsere Autorin Elisalex Henckel von Donnersmarck in Österreich unterwegs und erkundet Wiener Befindlichkeiten. Dieses Mal widmet sie sich der Kunstmesse Viennafair – auf der Suche nach der Muse. Dort trifft sie sowohl auf Kunst als auch auf künstliche Menschen.
Es heißt, dass in Wien jeder Taxifahrer eine Meinung dazu hat, wie die letzte Inszenierung im Burgtheater gelungen ist und wer neuer Staatsoperndirektor werden sollte. Ich kann das zwar nicht bestätigen (der einzige Taxler, der mir bisher in Erinnerung geblieben ist, zeichnete sich dadurch aus, dass er an einer Ampel aus dem Auto stieg, um eine Fahrradfahrerin aus der Nähe anzubrüllen), aber es schüchtert doch etwas ein. Umso mehr beruhigt es, dass sich die Stadt als Muse zur Zeit einer anderen Kunst besonders widmet, der Bildenden nämlich.
Die Viennafair, Österreichs größte Kunstmesse, treibt das kulturaffine Wien seit gestern über den Donaukanal an den Rand der Stadt. Im Messezentrum haben 114 Galerien ihre Stände aufgebaut, knapp ein Drittel stammt aus Ost- und Südosteuropa, dem Schwerpunkt der Messe. Sammler, Politiker und ein Haufen anderer Menschen, die als wichtig gelten, durften die Halle schon am Mittwoch besichtigen.
Wie die meisten anderen blieb ich zuerst an dem Hochstand stehen, der den Stand der Wiener Galerie Kargl schmückt, traute mich aber natürlich nicht, ihn zu besteigen und verpasste so einen Blick, der angeblich bis zu einem „Krickerl-Wuzler“ (Geweih-Tischfußball) des Künstlers Christian Eisenburger am anderen Ende der Halle reicht. Stattdessen lief ich beinahe den Bundespräsidenten über den Haufen, der sich am Stand der jungen Galerie Momentum eine kurze, fotogene Pause samt Apfel gönnte, und belauschte später, wie drei elegant zurechtoperierte Mittfünzigerinnen über das Porträt eines jungen Mädchens kicherten, auf dem stand: „A good day for bad news”.