Biografische Bilder und Bildbiografien
Walter Titz in „Die Kleine Zeitung“, 3.7.2012
Vier Grazer Kunst-Initiativen bieten unter dem Kürzel CMRK ein reichhaltiges Ausstellungsprogramm. Ergänzend heißt es in den Minoritengalerien „I Love God“.
Bewährt hat sich der Zusammenschluss von Camera Austria, Medienturm, und Grazer Kunstverein zum Veranstaltungsverband CMRK. Gemeinsame Eröffnungstermine und Shuttles aus Wien werden bestens angenommen. Die bei allen programmatischen Gemeinsamkeiten jeweils speziellen Angebote bringen Mehrwert.
Das aktuelle Ausstellungsquartett ist eine kompakte Grazer Documenta, in der die anderen Wirklichkeiten der Welt mit jenen der Kunst spannend verschmelzen, das Banale und das Artifizielle sich als zwei Seiten einer Realitätsmedaille zeigen.
Von den individuellen Geschichten hinter Kunst(werken) handelt „DLF 1874 – Die Biografie der Bilder“ bei Camera Austria. DLF 1874 etwa ist die Inventarnummer der Arbeit „Kleiderschnitt“ von Gabriele Rothemann in der Fotosammlung des Bundes, die bei rund 7500 Werken von rund 370 Künstlern hält. In der Schau ist Rothemanns Fotogramm nicht, dafür Werke u. a. von Werner Feiersinger, Rainer Iglar, Krüger & Pardeller, Tatiana Lecomte, Doris Margreiter, Constanze Ruhm, Anita Witek.
Kuratorin Ruth Horak blickt hinter die Exponate, fördert persönliche Aspekte zutage, Geschichten, die sich zur vielgestaltigen Geschichte (foto)künstlerischer Kreativität fügen.
Zeichentrick
Von individuellen und gesellschaftlichen Bedingungen der Kunstproduktion erzählt auch Susi Jirkuffs Installation „Rainy Days“. Die Räume des Medienturms macht die Linzerin zur Begegnungsstätte eines Künstlers, seiner Nachbarin und eines Kurators. Mit knappen Zeichentrickfilmen und stilisierten Möbelobjekten schafft Susi Jirkuff einen Kosmos aus (Selbst)Ironie und Poesie.
Eine Kooperation der beiden Kulturhauptstädte Marburg/Maribor und Graz/Gradec zeigt imhöchst anregende Formen. „Übung 1: Temporärer, improvisierter Kommunikationszusammenhang“ vereint Beiträge slowenischer (Nika Autor, Natasa Berk, Matej Modrinjak, Marusa Sagadin, Petra Varl, Veli & Amos) und steirischer Künstler (Constantin Luser, Wendelin Ressl, Josef Wurm).
Spielerisch-witzig werden Fragen nach „alternativem Wissens- und Know-how-Transfer“ auch im künstlerischen Bereich gestellt, nach neuen Formen der Kunstausbildung. Daniela Brasils „Transnational Guerilla Art School“ gibt diesbezüglich Anstöße. „Übung 2“ der Koproduktion von und der slowenischen Gruppe son:DA folgt im Oktober in Maribor.
Porträts
Faszinierende, behutsame Kunst-Geschichten-Schreibung bietet der Grazer Kunstverein. Die Dänin Gitte Villesen (46) porträtiert Frauen aus Gambia – Großmutter, Mutter, Tochter. Deren Berichte führen in eine Welt, in der Magie Alltag ist. Villesen geht es aber nicht um Exotik, sondern um Lebensrealität im Spannungsfeld von Individuum und Gesellschaft. Die Biografien, die sich aus den Bildern erschließen, brauchen diesfalls die Biografie der Bilder nicht.
Minoriten
Die Installation „Ich verzeih mir und allen anderen“ war im Vorjahr bei den Minoriten Teil der Ausstellung „Irrealigious!“ Sie zeugt auch in der Personale „I Love God“ von Zenita Komads keineswegs gewöhnlichem Ansatz, der, kurzgefasst, lautet: „Art is a doctor!“
Die 1980 in Klagenfurt Geborene, die an der Wiener Angewandten bei Franz Graf studierte, scheut sich nicht, Kunst als Medikament zu sehen, Künstler als Heiler. „Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass die ganzheitliche Heilwerdung unsere Bestimmung und Aufgabe ist“, sagt sie in der jüngsten Ausgabe von „kunst und kirche“, die unter dem Titel „Gott ist (k)ein Museum“ wesentlich den Aktivitäten des Kulturzentrums bei den Minoriten gewidmet ist.
Mit vielerlei Mitteln formuliert Komad ihre unorthodoxe Liebe zu Gott, „der für mich nicht unbedingt mit Religion zu tun hat“. Manchmal mit zu vielen Mitteln, dann wirkt die Schau überinszeniert. Mit acht Tonnen Sand und monumentalen, mit Stein und Salz gefüllten Kupferblechpendeln etwa.
Ihre Qualitäten entfaltet die Künstlerin, wo materielle Sparsamkeit dominiert, im Kleinformat von Grafiken von subtilem Witz. Auf einer Wand mit Gezeichnetem, Gemaltem, Collagiertem bildet sich der Ausstellungstitel als ernst gemeinte, aber gänzlich undogmatische Behauptung in zahlreichen Facetten ab. Komads Gottesliebe tritt dem Betrachter hier als Menschenliebe entgegen, als Spiritualität ganz von dieser, einer hochkomplexen Welt.