Zenita Komad. Sei Licht für die Welt
Johannes Rauchenberger
„Sei Licht für die Welt“ – Zenita Komads zentrale Installation in der Galerie Gölles holt die Sonne der Erkenntnis vom Himmel in den Vierkanthof dieses bekannten Kunstortes in der östlichsten Oststeiermark und schickt die Strahlen durch die Mauern der Galerie. Diese enden in verschiedenen Räumen und markieren damit rein formal auch unterschiedliche Werkphasen der 1980 geborenen, auch international besonders erfolgreichen Künstlerin. Parallel zu Ausschnitten aus eigenen Werkzyklen, die in signifikant unterschiedlichen Medien gestaltet sind (Collage, Zeichnung, Sand- und Materialbild, Raum-Installation) hat Zenita Komad sechs weitere KünstlerInnen eingeladen, zum Thema „Licht“ Werke zur Verfügung zu stellen oder neu zu schaffen. „Extended universe II“ ist die Bezeichnung für einen Kosmos der Künstlerin, der die engen Grenzen des künstlerischen Ichs überschreitet zu anderen KollegInnen, die sich einem Thema stellen. Dabei werden die Rollen wie KünstlerIn und KuratorIn bewusst unscharf gehalten – da es ja nicht um sich selbst, sondern um das Thema geht.
Der Feststellung aus der Bergpredigt Jesu in der christlichen Bibel: „Ihr seid das Salz. Ihr seid das Licht. Man stellt das Licht nicht unter einen Eimer“ (Mt 5, 13-16) antwortet Komad mit dem Imperativ des Handelns: „Sei Licht für die Welt.“ Wer die Künstlerin jemals erlebt hat hat eine Ahnung davon, dass es dann kein Dazwischen, kein Abwägen, kein Zaudern gibt – vielmehr hat das Ja ein Ja und das Nein ein Nein zu sein, und Zeit für Totengraben gibt es nicht. Die Wucht ihrer Anwesenheit löst sich freilich in Wohlklang auf, wenn man ihren Einfällen, Inspirationen und eben Imperativen zu folgen bereit ist, kurz: ihrem „Extended Universe“ Raum verschaffen will. Zenita Komad hat in ihrem Künstlerinnenleben, das für ihr Alter länger zu sein scheint, als man numerisch fassen könnte, schon zahlreiche Felder durchschritten, Menschen unterschiedlichster Denkklassen dabei mitgenommen und das System „Kunst“ multispektral und beinah makellos perfekt bespielen gelernt. Auf die Bildgröße 150 × 110 cm festgelegt, sind ihre Tafelbilder voll des Lebens – aus Kleidern, Buchstaben, Texten. Ihr spielerischer und kombinatorischer Umgang mit (Text-)Geschichte, (Kunst-)Geschichte, (Geschlechter-)Geschichte ist eigentlich die einzige Brücke zu den daraus entstehenden Bricolagen (P. Gorsen) in drei- und mehrfacher Potenz – doch diese wird aber wiederum unterspült von einer beinah hetärisch anmutenden Entlarvungsstrategie. Wer sich in seiner Lesart sicher weiß, soll sich doch einmal zu hüten lernen. Aus Man Rays bekanntem nackten Frauen-Rückenakt wird etwa eine bekleidete schwangere Woman Ray, doch sind es Strahlen, die eben nicht den Narzissmus jener Kultikone ins Heute überträgt, sondern die Halbwertszeiten dieser anderen Art von Strahlung um Lichtjahre verlängert. Licht, das ist auch Welle, nicht nur Teilchen, und doch ist es wiederum ganz etwas anderes. Was auch immer es ist, Zenita Komad findet in ihm und in so vielen anderen Feldern des Denkens unendliche Möglichkeiten aus dem Fundus der Denkgeschichte zu schöpfen, sie zu separieren und neu zusammenzusetzen. Licht ist jedenfalls mit Strahlung untrennbar verbunden. Dieses Element ist der Kunst Zenita Komads grundsätzlich in einer besonderen Weise eigen. Ihr dezidierter Schritt das System Kunst, wie sie es bislang auszulegen gewohnt war, zu verlassen, oder, besser gesagt: zu erweitern, mag manche zaudern lassen. Die Entschiedenheit aber ihres Aufrufs, der den Titel dieser Ausstellung trägt, überführt jene in das Reich der Schatten. Und das genaue Gegenteil davon liegt in Zenitas Aufruf.